Künstlerische Naturfotografie
Sven Herdt 24.03.2024 - vor 8 Monaten
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In der Landschaftsfotografie versuche ich meist alles perfekt scharf zu fotografieren. Ich wünsche mir eine Schärfe vom Vordergrund durchgehend bis ganz hinten. Bei der Wildlifefotografie soll das Tier oder zumindest das Auge scharf sein und man möchte ein schönes Bokeh erhalten. Alles soll meist technisch perfekt sein. Doch seit einigen Jahren ist auch die künstlersiche Naturfotografie sehr beliebt. Heute erkläre ich dir ein paar Techniken wie du auch völlig neue Bilder erstellen kannst.
Bewegte Wellen
Als ich mit einer Workshopgruppe auf Teneriffa war gab es extrem hohe Wellen. Es wurden sogar Balkone durch die Kraft des Wassers überschwemmt und abgerissen. Doch von der Katastrophe bekamen wir nichts mit. Wir genossen die hereinbrechenden Giganten aus sicherer Entfernung mit unseren Teleobjektiv. An zwei Tagen fotografierten wir Wellen auf unterschiedliche Weise. Am ersten Tag wollten wir die Wucht des Wassers abbilden und nutzen Verschlusszeiten von einer 1/1000 Sekunde und weniger. Jeder Spritzer war zu erkennen und man sah die Kraft des Wassers. Doch nach den ersten gelungenen Aufnahmen gingen wir in eine andere Richtung. Wir versuchten kreative Kunstwerke zu erschaffen. Zuerst nutzen wir Zeiten von etwa 1/4 – 1/15 Sekunden und folgten mit dem Teleobjektiv der Bewegung der Welle. Das ganze bei geschossener Blende für eine hohe Schärfentiefe. Die Ergebnisse gefielen mir schon sehr gut auch wenn man extrem viele Fotos dabei aussortieren muss. Doch bei den größten Wellen kam das Wasser direkt auf uns zu und so konnten wir der Bewegung nicht folgen. Ich begann horizontal meine Kamera von links nach rechts zu bewegen. Das ganze mit ähnlichen Zeiten. Der Ausschuss war auch hierbei sehr groß doch am Ende bekam ich ein Foto das ich sehr gelungen finde. Die Aufnahme entstand bei f36 / 600mm und einer Zeit von 1/6 Sekunde.
Tiere in Bewegung
ICM oder auch Wischbilder sind in der Naturfotografie nichts Neues. Man kann dadurch die Bewegung eines Tieres sehr schön verdeutlichen. Bei diesen Aufnahmen soll der Kopf des Tieres möglichst scharf abgebildet werden. Die Beine oder auch Flügel verwischen durch die längere Zeit und Bewegung des Tieres natürlich. Doch sollten auch diese noch zu erkennen sein, wenn auch unscharf. Auch der Körper wird meist unscharf abgebildet. Die Zeit hängt von der Tierart und dessen Geschwindigkeit ab. Dabei sind manche Tiere geeigneter als andere. Es gibt Arten die wackeln zu sehr mit dem Kopf und man verzweifelt beinahe daran. Ansonsten verwende ich meist Zeiten zwischen 1/4 – 1/60 Sekunde. Um flexibler zu sein verzichte ich bewusst auf ein Stativ. Doch das ist wohl Geschmacksache. Ein wichtiger Hinweis wäre das Tier lange im Voraus zu verfolgen und sich der Geschwindigkeit an zu passen. Macht mehrere Bilder und mit etwas Glück ist dann auch eine gelungene Aufnahme mit dabei. Man kann auch einmal den Bildstabilisator an lassen. So ergeben sich wieder andere Ergebnisse. Einfach einmal testen. Egal ob mit Autos oder anderen Bewegten Objekten die Übung machts. Dieses Foto entstand bei etwa 300mm / f14 und 1/13 Sekunde. Bei Vögel ist dies natürlich eine etwas lange Zeit. Doch da dieser Basstölpel gleichmäßig segelte gelang es mir trotzdemso bekam das Meer im Hintergrund noch viel mehr Bewegung.
Baumwischer
Eine beliebte Technik im Wald ist das Wischen. Man wählt eine Zeit von etwa 1/10 – 1/2 Sekunde und bewegt dabei seine Kamera. Meist ist diese Bewegung von oben nach unten oder umgekehrt. Doch der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt man kann auch schief wischen, während der Aufnahme noch zusätzlich zoomen oder die Kamera drehen. Es gibt viele Möglichkeiten mit den unterschiedlichsten Ergebnissen. Besonders schön sind die Bilder im Herbstwald. Dann kommt noch zusätzlich Farbe mit ins Bild. Ich nehme meist eine mittlere Blende und mache richtig viele Aufnahmen. Den nur mit wenigen Aufnahmen wird man am Ende auch zufrieden sein. Kein Bild gleicht dabei dem anderen. Bei meiner Aufnahme suchte ich mir einen Wald mit geraden Stämmen. Durch das Wischen von oben nach unten mit 1/4 Sekunde bleiben diese trotzdem irgendwie scharf und man bemerkt trotz Unschärfe um was es sich handelt. Ja man erkennt sogar noch, dass es sich um eine Kiefer handelt durch den markanten Stamm. Egal ob einen die Bilder gefallen oder nicht. Das Fotografieren ist meist ein Riesen Spass!
High Key
Diese Aufnahmen kennt man meist von der Portraitfotografie. Man benutzt einen weissen Hintergrund und leuchtet mit Hilfe einer Softbox die Person mit sehr weichen Licht aus. Harte Schatten möchte man vermeiden. Es soll alles hell gehalten werden und für die Kamera ist das Bild überbelichtet. Doch genau dieses weiche und helle Stilmittel gibt dem Bild das Gewisse etwas. Nicht nur in der Portraitfotografie ist dies möglich. Egal ob Landschaften, Makro oder Tiere. Im richtigen Licht ist es durchaus im gesamten Themenbereich der Naturfotografie möglich solche Bilder zu erhalten. Natürlich müssen die Umstände gegeben sein. Bei trüben Wetter, Nebel, Schnee oder im Gegenlicht am Wasser lassen sich High Keys meist gut umsetzen. Bei dieser Aufnahme war ich am Chiemsee unterwegs. Ich besuchte einen der wenigen Flamingos die noch vor wenigen Jahren jeden Winter dort hin kamen. Das Licht Gegenlicht war zu hart für „normale“ Aufnahmen. Also belichtete ich auf den Schatten im Flamingo. Dazu musste ich 3 Blenden überbelichten. Das zarte rosa kam wieder schön zur Geltung und der sonnenbestrahlte See wurde komplett weiss abgelichtet. So kamen diese zarten Vögel und das rosa Gefieder perfekt zur Geltung.
Mehrfachbelichtungen
Zu den Zeiten als man den Film noch manuell weiter transportieren musste geschah es manchmal versehentlich, dass man zwei Fotos übereinander machte. Heute geht das ebenfalls mit digitalen Kameras. Ich mache meist 2 Aufnahmen. Doch kann man durchaus noch weitere einstellen. Besonders beliebt sind Aufnahmen von Blumen. Man macht ein scharfes Foto und legt danach das selbe Bild nur komplett unscharf darüber. So entsteht ein sehr verträumtes Bild. Doch kann man auch durchaus scharfe Bilder übereinander legen. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Doch benötigt man auch hier Erfahrung um zu wissen wann es Sinn macht und wann nicht. Als ich diesen verschneiten Wald fotografiert fand ich das Ergebnis nicht sehr gelungen. Irgendwie fehlte etwas. Ich entschloss mich ein unscharfes Bild darüber zu legen und schon bekam ich ein Foto das ich auch zeigen konnte. Keine schwere Technik doch manchmal mit großer Wirkung.
Details
Ich leite bereits seit 2013 Fotoreisen. An vielen Orten war ich schon wirklich häufig. Die Stimmungen sind natürlich immer unterschiedlich. Doch wenn es gerade nicht die beste Lichtsituation ist habe ich begonnen mir komplett neue Motive zu suchen. Natürlich betrachtet man in der Landschaftsfotografie meist das große Ganze. Doch vergesst nicht die Details. So war ich z.B. im Winter am Hraunfossar auf Island. Die Bedingungen waren nicht ideal. Etwas Sonne schien an die Wasserfälle und es ergaben sich extreme Spitzlichter, welche man am Wasser nicht haben möchte. Doch im Schatten fand ich am Fluss schöne Details des Eises. Diese faszinierten mich mehr als der Wasserfall und so wechselte ich zu einem Teleobjektiv. Ich wollte den Kontrast zwischen Eis und fließenden Wasser dar stellen. Daher belichtete ich etwas länger um die Bewegung im Wasser zu erhalten. Das Ergebnis gefiel mir dann sehr gut und ich war zufrieden mit meiner Ausbeute auch wenn es nicht der Wasserfall war. Versteift euch nicht immer zu sehr auf das ganze sondern sucht auch nach Details!
Alte Linsen
In manchen Bereichen der Fotografie finden alte Linsen wieder enorme Aufmerksamkeit. Was früher oft als Objektivfehler gesehen wurde nutzt man heute ganz bewusst um bestimmte Effekte zu erzielen. Manche Objektive haben eine extreme chromatische Aberration oder ein ungewöhnliches Bokeh. Liebhaber zahlen im Gebrauchtmarkt teilweise mehr Geld als die Objektive damals neu gekostet haben. Eines der bekanntesten ist z.B das Meyer Görlitz Triplan. Für die Objektive benötigt man natürlich noch einen Adapter um sie an der Kamera verwenden zu können. Bei meiner Aufnahme der Sibirischen Schwertlilie nutzte ich das Primotar 135mm von Meyer Görlitz. Die Wiese war am Morgen noch feucht und durch das Gegenlicht erhielt ich ein schönes Bokeh. Diese Linse lässt eine Art Blase entstehen wo normalerweise das gewöhnliche Kreise wären. Auch wenn es mit Sicherheit schärfere Linsen gibt, erhält man dadurch einen interessanten Effekt. Man sollte es aber nicht übertreiben. Ansonsten hat man sich wie von vielen Techniken der kreativen Naturfotografie sehr schnell satt gesehen.
Unschärfe
Muss ein Foto wirklich immer scharf sein? Möglicherweise nicht. Wenn man Unschärfe bewusst einsetzt kann man kreative Gemälde erzeugen. Doch nicht jedes Bild hat eine gute Wirkung mit Unschärfe. Landschaften und Tiere finde ich besonders schwer. Gute Ergebnisse erzielt man meist bei Detailaufnahmen. Hier ist es gut wenn klare Formen hat wie Blumen oder in diesem Fall Pilze. Diese sollten sich ebenfalls gut vom Hintergrund abheben. Ansonsten geht die Wirkung verloren. Ich habe den dunklen Schwammerl bewusst in die Mitte eines hellen Bokehkreises platziert. Versucht unbedingt unterschiedlich starke Unschärfe aus und macht nicht nur eine Aufnahme. Meist genügt jedoch leichte Unschärfe für ein gutes Ergebnis.