Leave your comfort zone!
Nicolas Alexander Otto 10.03.2023 - vor 1 Jahr
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Dieses Bild nahm ich am Morgen meines 4 Tages auf einem 8 Tage langem Trek entlang des Drakensberg Escapments an der Grenze zwischen Südafrika und Lesotho auf. Alleine die Tatsache, dass es mich an einen so abgeschiedenen Ort verschlagen hatte und dass ich es körperlich schaffte aus eigener Kraft mit allem Equipment und Nahrungsmitteln auf dem Rücken dort hinzuwandern, macht dieses Bild für mich zu einem wahren Schatz.
Als ich vor vielen Jahren mit der Landschaftsfotografie anfing, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich nach Tagen mit wenig bis gar keinem Schlaf um 4 Uhr morgens mit einem Geländewagen durch das karge isländische Hinterland fahren würde, um eine solide Komposition für das Nordlicht über mir zu finden, 16 Tage am Stück in einem Kleinwagen an der Algarveküste schlafen würde oder 1400 Höhenmeter hinaufwandern würde, nur um auf etwas Morgenlicht an einem Bergkamm zu hoffen, um dann schweißgebadet vom Aufstieg bei Temperaturen von unter null in einem Bergsee baden zu gehen. Nicht gerade das, was man im Allgemeinen als Komfort bezeichnen würde, aber im Laufe der Jahre sind diese Arten von Situationen zu einer der Triebfedern für mich geworden, diesem Beruf nachzugehen. Schließlich fotografiere ich nicht nur des Bildes wegen sondern auch der Erfahrung wegen.
Landschaftsfotografie hat viele Facetten: Es ist eine Kunstform, es ist ein technisches Handwerk, aber es ist auch in gewisser Weise ein Sport und es ist eine Einstellung. Wir Landschaftsfotografen sind auf der Jagd nach dem perfekten Licht und der perfekten Komposition, setzen dabei manchmal sogar unser Leben aufs Spiel (auch wenn wir es besser wissen sollten) und greifen teils zu extremeren Maßnahmen, um mehr Aufmerksamkeit zu erhaschen.
Es scheint, als ob es bei der Unzahl von Bildern, die in dem schier endlosen Reich der sozialen Medien herumschwirren, ein immer stärkeres Konkurrenzdenken zu geben, in dem jene den Kürzeren ziehen, die nicht besserbegütert sind oder sehr viel Zeit haben.
Hier möchte ich allerdings eine Lanze brechen dafür sich von diesem Konkurrenzdenken zu lösen und sich wieder mehr auf sich selbst zu besinnen. Denn Landschaftsfotografie sollte nicht nach Likes und Aufmerksamkeit bemessen sein, sondern sich daraus speisen, was sie für Euch ganz persönlich macht. Während meines Studentenlebens hatte ich nie sonderlich viel Geld und konnte sicherlich nicht mit den Profis mithalten, was die Reisen angeht, daher musste ich etwas anderes für mich entdecken, um gute Bilder zu machen: Durchhaltevermögen und der schiere Hunger auf neue Erfahrungen. Diese haben für mich in gewisser Weise die Grundlage für leidenschaftliche Landschaftsfotografie darstellt. Es mag wie ein Mantra aus einem Motivationsspruch klingen, aber es hat sich für mich immer wieder bewahrheitet: "Es lohnt sich, aus seiner Komfortzone herauszukommen". Wir alle genießen ein wenig Komfort, sei es eine heiße Dusche, ein bequemes Kissen oder eine Tasse heiße Schokolade am Morgen. Doch ich möchte behaupten, dass der Verzicht auf diese kleinen Dinge, die man täglich zu Hause haben kann, für die Dauer einer Fotoreise ganz einige Qualitäten und Vorzüge mit sich bringt.
Allein im Schneetreiben auf zugefrorenen und eingeschneiten Steinen an der Meeresküste entlangzuklettern, um zu diesem abgelegenen Uferabschnitt des Nordmeeres zu gelangen war eine Erfahrung, die trotz der richtigen Kleidung nicht sonderlich angenehm war. Aber dafür wurde ich mit diesem schönen, atmosphärischen Bild belohnt.
Wenn ich mich auf Messen und oder auch auf Reisen mit Fotografen unterhalte, höre ich oft Klagen über "schlechtes Licht" und "schlechte Kompositionen". In einem Fall nur, um zwei Sätze später zu hören, dass mein Gegenüber zu träge war, jeden Tag um 5 Uhr morgens aufzustehen, um den Sonnenaufgang zu erwischen, weil er zwei Kilometer von seinem Hotel zu dem Strand laufen musste, den er fotografieren wollte. Nach nur zwei Tagen ohne den erhofften prächtigen Sonnenaufgang gab er auf und blieb lieber im Bett und schlief aus. Andere ähnliche Klagen habe ich im Laufe der Jahre immer wieder gehört: Darüber, dass man keine großartigen Bergaufnahmen machen kann, ohne vorher auf den Berg zu wandern, oder darüber, dass es unmöglich ist, Milchstraßenaufnahmen zu machen, ohne lange aufzubleiben, oder über den Mangel an sanitären Anlagen oder Unterkünften an einem bestimmten Ort. Ich möchte hier kurz bei dem Beispiel Schlaf bleiben, da ich mich hier persönlich sehr gut wieder finden kann.
Anstatt im Hotel zu schlafen und früh aufstehen zu müssen, warum nicht einfach in Strandnähe oder sogar am Strand schlafen, wenn möglich? Die Tatsache, dass uns das warme Bett so verlockend erscheint, lässt zwei Interpretationsmöglichkeiten zu: Entweder überschreibt das Bett den Drang nach dieser fotografischen Erfahrung, weil es so weit vom Ort des Geschehens entfernt ist, oder weil ein Sonnenaufgang so früh ist und wir früher ins Bett gehen müssten, wenn wir nicht den ganzen Tag schläfrig sein wollen. Beides ist sehr wahrscheinlich, und ich ertappe mich regelmäßig dabei, wie ich dagegen ankämpfe. Ein Kampf der gar nicht so einfach zu gewinnen ist. Wie oft habe ich schon gehört das Teilnehmer meiner Fotoreisen sich immens darüber freuen, es endlich zu schaffen bereits zur blauen Stunde morgens aus dem Bett zu kommen, da sie das allein nicht schaffen würden. Das geht mir teils genauso.
In dieser Hinsicht glaube ich, dass es bei der Landschaftsfotografie manchmal eher darum geht, seine Schwächen zu überwinden, um neue Möglichkeiten zu erschließen, und nicht so sehr nur um das reine Können. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass die Landschaftsfotografie ein gewisses Maß an Unbequemlichkeit voraussetzt, wenn man ein gewissen Level erreichen möchte. Nicht jeder ist dafür gemacht Kilometer über Kilometer mit schwerem Rucksack durch den Tiefschnee Mehrtagestouren zu wandern. Ich bin sicher noch nicht so weit, aber den Gedanken finde ich mittlerweile sehr reizvoll, das war vor einigen Jahren noch nicht so. Rom wurde bekanntlich nicht an einem Tag gebaut, demnach findet man teils erst nach Jahren seine Grenzen.
Aber bleiben wir noch einen Augenblick beim Beispiel Schlaf. Ein Fotograf, der in einem Zelt direkt an dem Bergsee schläft, den er fotografieren will, wird wahrscheinlich keine Probleme haben, um 4 Uhr morgens aus seinem Zelt zu kommen, um die Sternenhimmelaufnahme zu machen, nach der sich andere sehnen, die vielleicht in einem Hotel im Tal schlafen und ihre Augenlider nicht öffnen können, weil sie noch früher aufstehen müssten, um den Berg noch lange vor Sonnenaufgang erst noch zu erklimmen. Natürlich kann es mühsam sein, neben der Kameraausrüstung auch ein Zelt und andere Ausrüstungsgegenstände auf den Berg zu schleppen, aber es ist viel einfacher, 20 Meter vom Stativpunkt entfernt aus dem Schlafsack zu steigen als aus einem warmen Bett einige Kilometer weiter weg.
Wenn mein Biwak nicht unmittelbar neben diesem schönen See in den französischen Alpen gestanden hätte, wäre dieses Bild wohl nie entstanden. Denn nach dem Sonnenuntergang wieder abzusteigen wäre ich wohl auch zu faul gewesen, geschweige denn für den Sonnenaufgang noch mal die knapp 1000 Höhenmeter auf mich zu nehmen.
Das bringt mich zum zweiten wichtigen Punkt: Die Erfahrung selbst bereichert das Bild auch auf einer persönlichen Ebene, indem es auch für den dem Sieg über den Schweinehund steht, weil man es auf den Berg geschafft hat, sich rausgequält hat und für seinen Einsatz belohnt wurde. Für viele Landschaftsliebhaber ist die Nacht auf dem Berggipfel ohnehin ein Selbstzweck, wobei ich mich jetzt nicht dazu zählen würde. Diese Art von intensiverer fotografischer Erfahrung macht für mich einen großen Teil meiner Tätigkeit aus. Ich könnte mir nicht denken, dass ich freiwillig stundenlang durch Regen und knietiefen Matsch in den Wäldern von Vancouver Island herumstapfen würde, ohne eine Bildidee im Kopf zu haben. In der Retrospektive ist das Erlebnis dann aber doch wichtiger als das Bild, das ja vielleicht auch einfach gar nicht so gut geworden ist.
Die Wälder von Vancouver Island sind ein schweres Motiv, oftmals muss man Stundenlang bei mäßigem bis schlechtem Wetter umherstreifen, um ein gutes Bild zu finden. Die Streifzüge blieben mir da oftmals mehr in Erinnerung als die Bildergebnisse. Erlebnisse, welche ich nicht missen möchte, so ungerne ich auch mit nassen, matschigen Füßen wandere.
Es gibt viele Fotografen, die mich bei weitem in den Schatten stellen und etwa wochenlang mit dem Wanderrucksack durch die Wildnis ziehen, um zu den exotischen Orten zu gelangen, was ich sehr bewundere. Auf diese Weise kann man nicht nur Orte erreichen, welche anderen Fotografen, die lediglich mit dem Auto anreisen und sich an die Straßen binden, nie erreichen werden. Man bekommt auch gratis ein kleines Workout und taucht viel tiefer in die Natur ein und macht dabei Erfahrungen, die einen teils noch Jahrzehnte in Erinnerung bleiben.
Um diese Aufnahme zu machen, wartete ich nach dem eher pfaden Sonnenaufgang auf dem höchsten Berg der Färöer auf den Sonnenaufgang. Da dies nicht geplant war hatte ich keine dicke Kleidung und nur noch ein paar Kekse und etwas Trockenfisch übrig. Aber die Nacht auf dem Berg war dennoch sehr eindrucksvoll und die vielen Hampelmänner, die ich machte, um mich warm zu halten waren sicher nicht umsonst, als der Nebel in den Fjorden aufzog wusste ich, dass es eine gute Idee gewesen war nicht abzusteigen. Für mich eine der besten Nächte der vergangenen Jahre.
Irgendwann wurde mir klar, dass ich mich körperlich mehr anstrengen musste, um diese verheißungsvollen Aufnahmen zu machen, nach denen ich mich sehnte, und ich fing an, immer mehr zu wollen - die Leidenschaft für das Handwerk trieb mich voran aber auch der Hunger nach neuen kleinen Abenteuern. Wenn man sein Bestes gibt, um eine Aufnahme zu machen, kann man bessere Ergebnisse erzielen, nicht unbedingt immer, aber zumindest kann man sich beruhigt zurücklehnen und wissen, dass man alles Mögliche versucht hat. Ab und zu schaue ich mir heute meine Bilder von früher an und denke mir: Hätte ich ein besseres Bild machen können, wenn ich früher dort gewesen, wenn ich ein Stück weiter den Berg hinaufgegangen wäre, vielleicht ein höheres Stativ mitgenommen hätte, wenn ich mehr Zeit in die Komposition der Aufnahme investiert hätte, anstatt zum Zelt oder zum Auto zurückzukehren, weil ich gefroren habe? Es ist einfach zu sagen, dass man nicht die Mittel hat, um ein bestimmtes Traumbild zu machen. Schwieriger ist es mit den Mitteln zu versuchen, die man hat und durch ein wenig Durchhaltewillen zu kompensieren. Aber es ist umso befriedigender, wenn man weiß man hat seine Ressourcen voll ausgeschöpft, und das fängt damit an, sich selbst Dinge abzuverlangen, welche man üblicherweise nicht tun würde.
Für dieses Bild lief ich um 9 Uhr abends von meiner kleinen Hütte los um diesen Strand auf den Lofoten zu erreichen in der Hoffnung auf Nordlichter. Um 2 Uhr nachts war es dann so weit, die Aurora zogen über den Himmel. Auch wenn dieses Bild technisch nicht mehr auf dem Stand der Zeit ist, ist es für mich ein Beweis dafür, dass sich harte Arbeit auszahlen kann und es war eines dieser Ereignisse, welche mich nachhaltig geprägt haben.
Hätte ich bessere Aufnahmen machen können, wenn ich mich mehr herausgefordert hätte? Ich denke, dass wir Landschaftsfotografen uns folgende Frage stellen sollten, bevor wir uns darüber beschweren, nicht die Bilder machen zu können, die wir uns wünschen: Das beschränkt sich nicht nur auf das frühe Aufstehen oder das Erwandern einer bestimmten Location, vielleicht auch ein schweres Objektiv mit sich herumzuschleppen, sich doch mit Watt Hose ins Meer zu stellen oder noch etwas länger wach zu bleiben bis die Nordlichter endlich den Nachthimmel zieren. Zu viel Bequemlichkeit kann auch die intrinsische Motivation zum Fotografieren insgesamt stören, denn ein gewisses Investment steckt in jeder Landschaftsaufnahme. Natürlich kann es ein gewaltiger Motivationsrückschlag sein, wenn eine lange und anstrengende Wanderung, Fahrt, Reise oder ein anderes Unterfangen zu keinem Ergebnis führt. Besonders für diejenigen, die nur gelegentlich Zeit in die Landschaftsfotografie investieren können. Doch das Hochgefühl, wenn man nach vollkommener Verausgabung, das lang ersehnte Bild endlich bekommt, sucht zumindest für mich seinesgleichen. Darüber hinaus sollten wir mehr Wertschätzung dafür aufbringen, dass die Erfahrung selbst teils wertvoller ist, als das fotografische Ergebnis. Denn es ist schon eine Leistung an sich, sich in bestimmte Situationen zu begeben. Auch wenn ich kein Bild bekommen sollte.
Ich hatte Reisen, die ich aufgrund von Wetter, Problemen mit dem Fahrzeug oder gar gesundheitlichen Einschränkungen abbrechen musste, welche also keine Ausbeute mit sich brachten. Dennoch versuche ich immer, mich auf mein nächstes Vorhaben zu konzentrieren, neue Orte auszuprobieren, alte Orte wieder zu besuchen, um sie zu verbessern, und auch neue Techniken und manchmal sogar neue Ausrüstung zu erlernen, damit ich die Chance habe, das gewünschte Bild zu machen. Ich versuche, mich stets selbst herauszufordern und zu sehen, wie viel mehr ich aus den begrenzten Ressourcen, die ich habe, herausholen kann, und seien es nur meine Hände & Füße oder meine Einstellung.
Für mich persönlich bleiben Aufnahmen, die harte Arbeit waren, länger im Gedächtnis. Sie sind vielleicht nicht meine beliebtesten Aufnahmen, aber ich schätze sie umso mehr, denn sie sind Ausdruck der Mühe, die in sie geflossen ist, und stehen sinnbildlich dafür, wie ich mich als Fotograf aber auch als Mensch verbessert habe.
Diese Aufnahme entstand nur wenige hundert Meter neben meinem Auto auf dessen Beifahrersitz ich übernachtet hatte. Manchmal kann es schon schwer sein sich zwei Wochen am Stück aus dem Nachtgemach zu quälen, um zu schauen, ob der neue Tag vielleicht einen schönen Sonnenaufgang für einen bereit hält. Selbst das ist etwas, was es wert ist zu erleben, denn auch das tägliche Aufstehen, kann ein Sieg über sich selbst sein. Manchmal sind es eben auch die kleinen Erfolge über die man sich freuen sollte, den ich musste für dieses Bild nichts weiter machen, als auch nach 13 Tagen noch ein weiteres Mal morgens aufstehen, der Rest ging dann wie von selbst.