Warum Landschaftsfotografie?
Nicolas Alexander Otto 25.02.2024 - vor 8 Monaten
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Neben all den verschiedensten Themen von Technik über Ästhetik, Kreativität und Social Media bis hin zu den Implikationen für Klima und Umweltschutz gibt es unzählige Themen, zu denen wir uns in der Landschaftsfotografie austauschen und angeregt diskutieren. Es gibt eine neue Kamera! Ist sie besser für die Landschaftsfotografie als andere? Was kann sie besser, was fehlt? Ist der Overtourismus an bestimmten Destinationen nicht zuletzt auch von uns Landschaftsfotografen und dem Einsatz der sozialen Medien unsererseits befeuert? Ist es vertretbar Tonnen an CO² freizusetzen nur um quer über den Planeten zu unseren Sehnsuchtsorten zu reisen? Alles Fragen die wir sicherlich hier im Blog noch beleuchten werden. Fragen, die ich mit vielen meiner Kollegen im Landschaftsfotografie Podcast besprochen habe und welche stets im Fluss befindlich sind.
Doch eine Frage die wir uns als Landschaftsfotografen selten stellen, ist die Frage warum wir diesem Hobby nachgehen. Warum wir uns eigentlich den Stress antun mit der deutschen Bahn zum Airport zu fahren nur um uns mit Stunden Verspätung vollkommen abgestresst in einen Fliegersitz zu quetschen und mit kaum Schlaf einen halben Tag mit einem zwei Reihen hinter uns schreienden Baby vor uns hinzuvegetieren. Danach warten viele Kilometer auf Straßen und Wanderwegen auf uns, ausgezehrt und am Ende kommen wir an unserer Destination an. Doch wozu das alles? Warum tun wir uns diese ganzen Strapazen an? Machen wir es nur für diesen einen kurzen Augenblick, in dem sich das Licht von seiner besten Seite zeigt, die Sonne sich an den Horizont schmiegt, die Wolken langsam Rot gefärbt werden und die Landschaft zu einem stillen Potpourri aus Konturen, Schattierung und Linien wird – und wir den Auslöser drücken? Gar nicht davon zu sprechen wie viel Geld wir dafür auch noch ausgeben.
Ich habe bei einem meiner Bühnenvorträge letztes Jahr darüber sinniert, wie man eigentlich zu einem so abwegigen Hobby kommt, denn augenscheinlich und von außen betrachtet, hat es außer unnötig viel Stress, vielen Unannehmlichkeiten, einer Menge Geld, welches wir verbrennen und einem resultierenden Social Media Post mit 80 Likes und quasi null Reichweite nicht viel zu bieten.
Das Szenario, welches ich gerade beschrieben habe, ist nicht unrealistisch, denn wenn ich allein oder mit meinem guten Freund Philipp Lutz unterwegs bin, verzichte ich auf Komfort - nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern weil es ein integraler Teil der Erfahrung für mich ist, wie ihr in meinem Post „Leaving the Comfort Zone“ hier nachlesen könnt. Doch was macht eigentlich den Reiz an der Landschaftsfotografie aus? Diese Frage stellen wir uns irgendwann nur noch sehr selten. Irgendwie sind wir da hineingewachsen. Einige gingen aus Liebe zur Natur wandern und wollten dies festhalten für Verwandte und Freunde, andere von uns haben eine Kamera für Urlaube gekauft und haben so einen ersten Schritt in die Reisefotografie gemacht, wieder andere suchten ein Hobby, um etwas mehr an der frischen Luft zu sein.
Doch was liegt diesen Überlegungen zu Grunde? Wie hat sich diese intrinsische Motivation über die Jahre verändert und wie haben uns die Erfahrungen geprägt, unseren Ansporn angeheizt? Wenn immer ich mit Reisegästen, Kollegen und auch mit mir selbst spreche, merke ich wiesehr wir uns von dieser Frage entfernt haben. Statt darüber nachzudenken, was uns an der Landschaftsfotografie Spaß macht oder was uns antreibt, geht es um neue Reiseziele, neue Anschaffungen und neue Bearbeitungstechniken. Alles valide und für Profis sicherlich noch mal wichtiger als für Hobbyisten. Darunter verborgen liegt meiner Meinung nach jedoch ein anderes Bedürfnis: Das Bedürfnis nach Abenteuer und neuen Erfahrungen. Prinzipiell sind wir Menschen schon immer Entdecker gewesen, denn unsere Neugier hat uns einen evolutionären Vorteil verschafft. Der Autor und NASA Wissenschaftler Dr. Carl Sagan schrieb in seinem Weltbestseller Pale Blue Dot einst so treffend: Exploration is in our nature. We began as wanderers, and we are wanderers still. We have lingered long enough on the shores of the cosmic ocean. We are ready at last to set sail for the stars. Was eine Ode an den Aufbruch zu den Sternen ist, kann für uns als normaler Durchschnittsmenschen natürlich anders kontextualisiert werden. Denn für uns ist eine Reise in ein neues Land, die Wanderung auf einen neuen Gipfel oder die Kajaktour zu einem neuen Ufer ebenso eine Befriedigung unseres Drangs zu immer neuen Erfahrungen. Viele von uns können ohne das High, was wir erleben, wenn wir die Polarlichter über einer verschneiten Küste am Ende eines norwegischen Fjords oder die das letzte Licht, welches die Wolken eines Schneeschauers irgendwo in der Wüste Utahs anleuchtet, nicht mehr auskommen.
Ist der Entdeckergeist in uns erst einmal erwacht so suchen wir rastlos nach neuen Erfahrungen und neuen Orten, nicht so sehr, um diese zu fotografieren, sondern vielmehr um sie zu erleben. Das Foto ist meist nur noch Beiwerk. Oftmals beschreiben meine Kollegen aber auch Reisegäste die Erlebnisse als die einzige Priorität, und das, obwohl einige von uns mit diesen Bildern ihren Lebensunterhalt bestreiten. Das mag für Landschaftsfotografen wie mich, die wenig Geld mit Lizenzen oder Büchern machen noch etwas Anderes sein, ebenso wie für Hobbyisten, aber selbst gute Kollegen die viel ihres Einkommens damit bestreiten, sagen immer noch, dass die Schneeschuhwanderung in der Nacht, das Fahren über die Hinterlandstraßen im Morgengrauen oder das Warten auf die Milchstraße in lauen Sommernächten der eigentliche Lohn ist.
Ich glaube, dass wir als Landschaftsfotografen vielleicht durch die Art und Weise wie wir aufgewachsen sind, eine gewisse Ausprägung dieser menschlichen Neugier mitbekommen haben, welche sich in diesem Medium wie in keinem anderen zum Ausdruck bringen lässt. Fernweh, Tatendrang und Rastlosigkeit, aber auch das Verlangen nach Stille und Geborgenheit in der Natur scheint in jedem guten Bild deutlich hervorzustechen. Landschaftsfotografie als Medium ist eine Ausformulierung der unausgesprochenen Sehnsüchte, welche uns zu den unterschiedlichsten Orten auf der Welt treiben immer auf der Suche nach Neuem und Aufregendem. Ich tendiere sonst nicht so sehr zu der Idealisierung der Landschaftsfotografie und werde von meinen Freunden als eher differenzierter Mensch eingeschätzt, doch dass mich persönlich, und sicher viele von Euch, Landschaftsfotografie auch noch nach vielen, vielen Jahren fasziniert, lässt für mich kaum einen anderen Schluss zu. Denn, wenn wir tief in uns graben, liegen unter dem Erfolgsgefühl der Selbstwirksamkeit einer realisierten Bildidee oder dem Adrenalinkick irgendwo auf einer Klippe weit weg von zu Hause über dem Meer zu stehen und den Wellen zu trotzen, noch tiefer Gefühle verborgen, welche diese sehr leicht erreichbaren Emotionen an die Oberfläche spülen. Diese Sehnsucht wohnt uns und allen unseren Bildern inne.
For all its material advantages, the sedentary life has left us edgy, unfulfilled. Even after 400 generations in villages and cities, we haven’t forgotten. The open road still softly calls, like a nearly forgotten song of childhood. – Carl Sagan“
Ich bin der festen Überzeugung, dass Landschaftsfotografie ein sehr starkes Medium ist, um unserem angeborenen Entdeckergeistausdruck zu verleihen, bietet sie doch ein Ventil für unser ständiges Streben nach neuen Erfahrungen. Die Landschaftsfotografie ist lediglich ein Mittel zum Zweck, dem Zweck uns in die Natur zu begeben und Orte zu erkunden, welche wir noch nicht vorhergesehen haben.
Sicherlich ist der Froscherdrang ist es nur ein Teilaspekt, weshalb wir dieser wohl schönsten Spielart der Fotografie frönen, aber wohl jene, welche am tiefsten in uns verankert ist. Mit den anderen möchte ich mich gegeben falls in einem zukünftigen Eintrag hier auf Fokus Naturfotografie auseinandersetzen, denn es gibt noch viele andere Gründe, wie Ihr mir sicher zustimmen werdet.